Samstag, 14. Februar 2015

Jetzt mal ehrlich


Man hört ja immer, dass eine Geburt das Schönste ist was man erleben kann und es nichts Besseres gibt als dein Kind auf dem Arm zu halten!
Ich will dem nicht widersprechen, aber es gibt Dinge über die wird nicht geredet.

Also brech ich dieses Schweigen mal und erzähl euch ehrlich wie für mich die Geburt und die erste Zeit mit Aennie waren!

Ich möchte aber keiner Schwangeren Angst machen oder irgendwelche Dinge ins Ohr setzen - jede Frau erlebt eine Geburt anders und es ist wirklich ein Wunder und schön!
 
Bei mir fing es zwei Wochen vor der Geburt an, mein Arzt sagte uns sie wiegt 3000 Gramm und es geht jeden Moment los! Puh das war eine Aussage. Ich wollte unbedingt Aennie sehen und konnte es nicht abwarten wir waren so vorfreudig und jeder Tag war so anstrengend da wir immer dachten jeden Moment ist es soweit! Ich wurde ständig danach gefragt ob sie schon da ist, ob ich schon etwas spüre, ob ich schon Treppen gestiegen bin oder dies und das versucht habe um Wehen auszulösen. Jedes Zwicken und Stechen wurde als Signal gesehen und ich war nach einer Zeit echt erschöpft und genervt. Bin ich zu doof um zu wissen ob da jetzt Wehen sind? Haben die Leute recht wenn sie sagen ich streng mich nicht genug an? liegt es an mir?
Meinem Arzt hätte ich am besten eine brennende Tüte gefüllt mit Hundekot vor die Tür gestellt, für diesen Schlamassel der durch seine Aussage ausgelöst wurde.
Dem nächsten Termin knapp zwei Wochen später ging ich total genervt entgegen und musste passen zu meiner Laune auch noch 3,5 Stunden warten bis ich endlich dran kam. Wow ich war auf 180 und hätte dem Arzt am liebsten seine Lizenz entzogen - total übertrieben aber das war einfach meine Laune!
Als ich ihm sagte, dass er mit seiner Aussage ziemliches Chaos angerichtet hatte stritt er alles ab und meinte nur ich soll das nicht so ernst nehmen wenn er so etwas sagt und er macht das nur damit wir nicht noch weiter weg fahren und ihn dann verantwortlich machen wenn es lost geht. - Ich mein, klar im 9. Monat fahr ich noch munter in Urlaub und wunder mich dann wenn es los geht. Logisch.
Bei diesem Termin wog sie plötzlich über 4 Kilo und er meinte sie kommt garantiert nicht vor nächster Woche - 2 Tage später war sie da.
Soviel zu kompetenten Ärzten.

Als also zwei Tage später die Wehen einsetzten dachte ich es seien Bauchschmerzen - Ich hab verdrängt das es Wehen sind weil ich Schiss hatte!
Den Abend zuvor hatte ich Leinsamen gegessen und gedacht das komme davon.
Das hatte den Grund, dass mir Angst gemacht wurde das (jetzt haltet euch fest) jede Frau bei der Geburt auf den Tisch Kackt - Hilfe nein! ich will nicht auf den Tisch kacken! Daher die Leinsamen die die Verdauung anregen sollten damit vorher alles Clean ist!
Klar, Ärzte sehen sowas oft und es wäre total natürlich aber die Vorstellung war Horror. Hört auf sowas zu erzählen, das stimmt nämlich gar nicht! Und wenn dann wird die Hebamme kaum sagen "Ha schon wieder eine die sich vollmacht!" Das würde euch keiner sagen wenn es denn so passieren sollte.
Also hatten wir nachts um 2 und ich wollte Steve nicht wecken - ich fühlte mich noch nicht bereit. Klingt total dämlich, da ich ja seit 2 Wochen - ach was sag ich seit 9 Monaten - nichts anders mehr wollte!
Ich zögerte es raus bis um halb 5 sein Wecker klingelte und er merkte das ich mich quäle. Ich dachte selbst nicht dass es los geht und schickte ihn auf die Arbeit. Bevor er los fuhr kam er aber nocheinmal zu mir ins Schlafzimmer und ich musste zugeben das ich glaubte Wehen zu haben - also los ins Krankenhaus.

aua Wehen!
Noch war ich zu stolz die Wehen wegzuatmen obwohl sie schon alle 5-10 Minuten kamen und ich nicht mehr verbergen konnte das es schmerzt. Dieser Schmerz ist nicht gut zu beschreiben, es tut weh aber irgendwie auch nicht so schlimm wie man dachte aber anders als man es sich je vorgestellt hat.
Die Untersuchungen ergaben wieder ein Schätzgewicht von über 4 Kilo und wir scherzten noch darüber - aber ich hatte Angst. Ich konnte mir nicht vorstellen wie ich durch das Loch da unten 4 Kilo durchbringen sollte. "dir reißt übrigens der Arsch" - Aussagen haben das nicht verbessert. Mein schöner Damm - das Ding zwischen den zwei Löchern da - sollte nicht reißen oder geschnitten werden! oh Gott !
Das waren meine Gedanken.

Da die Wehen aber noch nicht viel bewirkt haben wurden wir nochmal aufs Zimmer geschickt und sollten um 9 Nochmal zum CTG.
Die Herztöne waren gut und es gab kein zurück mehr - das muss da heute raus!

Die Zeit auf dem Zimmer verging total schnell - ich rannte alle paar Minuten aufs Klo und gab meinen Stolz auf und atmete jede Wehe weg so gut es ging.
Bei der zweiten Untersuchung kam der Oberarzt und erklärte uns, dass bei so eine kleinen Mutter und so einem "großen" Baby ein Risiko besteht über das sie uns einfach aufklären müssen damit wir im Nachhinein keine Klage einreichen können - logisch.
Die Logik darin verstand ich aber in dem Moment nicht. Diese Risiken klangen so dämlich und fies dass ich überfordert war. Am meisten mit mir selbst.
Ich musste einfach heulen.
Für uns war klar, wenn uns schon insgeheim zu einem Kaiserschnitt geraten wird dann hören wir auf unser Gefühl und gehen für Aennie das geringste Risiko ein!

Eine Ärztin kam - ich sagte noch total verheult und unsicher "also wir tendieren zu einem Kaiserschnitt"
Zack Satz ausgesprochen kam auch schon die Hebamme und spritze mir Wehenhemmer. Schluss ihr doofen Wehen ihr werdet jetzt unterdrückt!
Mist war das fies - ich hörte nichts außer mein Herz pochen, mir wurde warm und kalt zugleich und ich zitterte wie auf kaltem Entzug.
So ließ mich die Hebamme zurück - Steve sollte mich für den Op fertig machen und ich dachte ich verrecke hier elendig weil ich auf kaltem Entzug bin!
Eine ganz natürliche Wirkung die auftreten kann aber für die Mau in dem Moment einfach zu viel.
Eine Stunde mussten wir so ausharren und warten, dass ich endlich in den Op kam.

Der Gedanke gleich die kleine Aennie zu sehen war einfach toll - trotz der ganzen Umstände.

Im Op war alles halb so wild, die Op-helfer waren alle super nett und ich fühlte mich das erste mal wieder wie ein Mensch. Sie stellten sich vor und nahmen mir sogar die Angst.
Ich wurde so betäubt, dass ich etwa ab dem Brustbein abwärts nichts mehr spürte und als alles fertig für die Geburt war durfte Steve zu meinem Kopfende und meine Hand halten.
Ich spürte keinen Schmerz und hatte keine Angst mehr. Es wurde an mir gerüttelt und gedrückt und plötzlich kam ein ganz zarter aber lauter Schrei - oh wow Aennie ist da. Ich durfte sie kurz sehen und sie beruhigte sich sofort als ich mit meiner Hand ihre Wange berührte. Steve begleitete sie zur Untersuchung und ich wollte nur noch zu den beiden!
Das Zunähen ging fix und ich kam noch eine halbe Stunde in den Aufwachraum und dann endlich - der schon bekannte Schrei war auf dem Flur zu hören und da stand Steve mit Aennie. Das ließ tatsächlich alles vergessen was vorher war. Ihr ging es gut, mir ging es gut und Steve ging es auch gut. Mega!
Ich bekam sie in den Arm und wir wurden ins Zimmer geschoben.

Sie war so friedlich und wohl auf - später erzählte mir die Chefärztin, dass sie schlecht im Becken lag und nicht normal auf die Welt hätte kommen können außerdem hatte sie die Nabelschnur stark um den Hals und wir hatten uns komplett richtig entschieden!

Ich hab jetzt ein Baby! Und es hat so viele weiche Haare und wie es duftet!!! boah, das ist das allercoolste was je aus mir raus kam! Scheiß auf die Schmerzen und die doofen Gefühle das ist mein Baby - Meins! Das ist in mir gewachsen! Sowas krasses kanns doch gar nicht geben! geile Sache!
 echt unglaublich und wie es aussieht. so süß! wie ein kleiner ultrasüßer Maulwurf!

Ich bekam kurz Anweisung wie ich sie zum Stillen anlegen sollte und damit wurden wir dann bis Abends allein gelassen.
Vielleicht ein blöder Vergleich, aber es ist wie bei einem Autounfall - du funktionierst ganz anders als du es je erwartet hast und kannst deine Gefühle schwer kontrollieren. Adrenalin!

Beim ersten Saugen an der Brust merkte ich wie sich in mir alles zusammenzog - da wo mal das Baby war.
Es klappte gleich recht gut aber ich wusste nicht direkt ob ich es richtig machte oder wie es besser geht - mir hat einer gezeigt wie ich es machen sollte. Ich handelte nach Gefühl.

3 Tage war ich im Krankenhaus und Aennie gab ich ungern aus den Händen ich klammerte mich regelrecht an sie. Der Aufenthalt war nicht gut. Ich fühlte mich total überfordert. Nicht mit dem Baby sondern mit mir selbst. Meine Brustwarzen brannten vom Stillen wie Feuer und ich bekam nur eine kleine dämliche Probepackung von einer Creme die das linderte (1,5ml) "Sie müssen schon ihrem Mann sagen dass er ihnen noch welche aus der Apotheke mitbringt - wir geben pro Patientin nur eine raus" na Danke du doofe Kuh! Die unfreundlichen Schwestern nahmen überhand und die netten hatten nicht genug Zeit um sich so zu kümmern wie sie es gern getan hätten.
Ich war auf mich gestellt und konnte durch den Schnitt noch nicht selbst aufstehen.
In Verbindung damit musste ich also immer die Schwestern herklingeln damit ich mal aufs Klo kann oder jemand meine Aennie wickelt. Der Abschuss war, das mir eine Schwester aufs Klo half, mit offener Tür, und dann Aennie eine neue Windel verpasste. Als sie mit Wickeln fertig war legte sie die kleine in mein Bett und ging aus dem Zimmer. Blöd nur, dass sie die Zimmertür auch offen lies. So hockte ich also hilflos auf dem Pott während mein Baby in meinem Bett schrie und mich jeder sehen konnte - super klasse ....!
Ich quälte mich so schnell und so gut es ging zu Aennie und musste auch noch feststellen dass mein Bett nur mit einer neuen Schutzunterlage ausgestattet wurde und die blutbefleckte Decke nur umgedreht wurde. Na danke!
Ich will einfach nur zu Steve. Mein Gefühl war wie im Ferienlager als ich super doll Heimweh hatte.
Wie gesagt, ich war etwas überfordert mit meinen Gefühlen ich hatte riesig Schiss. Vor was - keine Ahnung. Das Baby war so herbeigesehnt und ich freute mich so sehr auf sie! Aber gleichzeitig konnte ich es nicht ertragen wenn sie sie mal schreien ließen - ich hörte ihre Schreie nach Hunger und wollte sofort hin um sie zu Stillen aber konnte nicht so schnelle. Also war es so: wenn Aennie heulte tat ich es ihr gleich und heulte mit!
Man oh man was war denn mit mir los.
Ich war innerlich etwas panisch wenn Steve nach der Arbeit kam und sich am Abend wieder verabschiedete. Lass mich hier nicht allein -bitte!
So kenn ich mich gar nicht... Diese dämlichen Hormone grrrr.
Diese Überforderung mit mir selbst hielt etwa eine Woche und ich konnte weder Nachrichten schauen noch in Facebook lesen was so passiert - alles zeigte mir was für Mist in der Welt passiert und das ich nie wieder einen normalen Alltag haben werden - wenn ich das selbst gerade lese würde ich der Mau in der Vergangenheit gerne mal eine Ohrfeige verpassen. Werd mal wieder klar im Kopf Mädel!
Aber, das ist ganz normal. Überleg mal - du bekommst ein Baby und es zeigt dir keiner was du damit anstellst. Du hast zwar viel gelesen und gehört aber willst natürlich alles richtig machen.
Was aber ja gar nicht funktioniert. Du musst dich als Mutter oder Vater und dann auch noch das Baby ja erst kennen lernen! Mach mal langsam und entspann dich.
Dass ich je wieder so denken würde glaubte ich aber in der ersten Woche nicht.
Wenn sie schlief schaute ich alle paar Sekunden ob sie noch atmet. Bei jedem Mucks den sie machte packte ich meine Brüste aus und wollte sie füttern. Total dämlich aber normal.
Ich schlief auf der Couch ein - Baby lag friedlich um Stubenwagen - und schreckte plötzlich hoch weil ich dachte mir ist das Baby beim stillen runtergefallen weil ich eingeschlafen bin. Solche fiesen Streiche spielte mir mein Gehirn!
Da kann man gar nicht klar denken. An regelmäßiges Essen war auch nicht zu denken denn Aennie braucht mich ja bei jedem Furz den sie macht oder bei jedem lauten atmen das sie macht - ist ja klar^^

Total überfordert mit mir selbst. Mein Körper ist ein Schlachtfeld - die Narbe schmerzt und ich hab bis zu den Knien Dehnungsstreifen. Außerdem seh ich noch aus wie im 5. Monat schwanger und mein Bauch macht Disco wenn ich ihn einmal anschubs - wabbel wabbel!

Pah so hab ich das nie gedacht. Alle sagen doch man soll das genießen! wie denn!!?!?!?

Jetzt, einen Monat später kann ich nur über mich selbst lachen. Ich hab mich ja nichtmal aufs Klo getraut weil ich dann zu weit weg von Aennie gewesen wäre. Um Gottes willen Mau was war nur mit dir los.
Jetzt kann ich drüber lachen und es hat sich bewahrheitet das "alles besser wird"
Jetzt kann ich genießen und versteh auch was die Leute damit gemeint haben.
Und jetzt kann ich die Bedürfnisse meines Babys richtig deuten und wir haben uns aneinander gewöhnt.
Ich wein nur noch manchmal  - ganz selten inzwsichen!
Und bin auch wieder bereit Menschen zu sehen und allein aufs Klo zu gehen.

Ja so ein Baby stellt deine Welt auf den Kopf aber eigentlich ist es nicht das Baby sondern du selbst.
Sie weint? oh Gott ich hab was falsch gemacht!
Die Hilflosigkeit macht dich verrückt. Babys weinen doch weil irgendetwas ist - aber wie zur Hölle finde ich das nur raus. Hebamme? Ärzte? schön und gut, aber wenn es nicht hilft? wenn es weiter schreit und sichtlich Schmerzen hat? was dann?


Ich hab es mir so erklärt - ein Baby ist wie eine Maschine. Wenn sie nicht richtig läuft muss irgendwas defekt sein. Also finde den Fehler!
Ich las und tat um herauszufinden was es nur sein könnte wenn sie so schrie. Bis jetzt wurde es von Tag zu Tag besser und ich verstand ihre Gesten und Schreie zu unterscheiden und zu deuten. Natürlich lieg ich nicht immer richtig und sie schreit immer noch viel und ich kann einfach nicht immer helfen.
Die ersten 3 Wochen waren wir verzweifelt, überfordert und am schlimmsten - total hilflos.
Aber wir meisterten es super und es wird wirklich besser.
Der Gang zum Ostepathen war eine gute Entscheidung und ich lege es jedem ans Herz.
Die liebe Michelle hat mir das Buch "Stillen und Ernährung der stillenden Mutter: Bedarfsorientierte Ernährung für Mutter und Kind" empfohlen und es half mir beim Stillen sehr sehr gut!

Und mein Körper erholt sich auch gut. Die Streifen werden heller und ich hab tatsächlich schon 20 Kilo verloren! Mit etwas Training wird da wieder ein schöner Körper draus. Und das was der Körper geleistet hat macht ihn auch so schon ganz toll! die alten Hosen passen schon bald wieder und wenn nicht gibt es eben neue!

Hätte ich diesen Blog vor zwei Wochen geschrieben würde ich jetzt mal wieder heulend da sitzen, aber das tu ich nicht, da es wirklich besser wird und es ist trotz allem von Anfang an wunderschön ist.

Dein Baby riecht ganz besonders, schreit einzigartig, und sieht aus wie sonst niemand!

Es war die absolut richtige Entscheidung schwanger zu werden! Und ich freu mich auf die Zukunft!
Ich würde so gern auch eure Geschichten hören!
Schreibt mir wenn ihr mögt - egal von was.
an:
heyaennie@gmx.de


eure überglückliche und nichtmehr verzweifelte

Mau

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen